WIRKMECHANISMUS PCSK9-INHIBITOREN
PCSK9 und seine Bedeutung für den LDL-Stoffwechsel
Das Enzym PCSK9 (Proprotein Convertase Subtilisin / Kexin type 9) ist ein von den Hepatozyten sezerniertes Protein, das an der Regulierung der LDL-Rezeptoranzahl beteiligt ist. Erstmals beschrieben wurden PCSK9 und seine Funktion im LDL-Stoffwechsel im Jahr 2003. PCSK9 bindet an den Komplex aus LDL und LDL-Rezeptor und bewirkt die Degradation des Rezeptors zusammen mit seinem Liganden. Ein Rezeptor-Recycling ist dadurch unterbunden.
Ein innovativer Wirkansatz zur LDL-Senkung
Die ersten monoklonalen Antikörper gegen das Protein PCSK91,2 erhielten 2015 die Zulassung in Europa.3 Die Neutralisation von PCSK9 führt zu einer gesteigerten Verfügbarkeit von LDL-Rezeptoren auf der Leberzelloberfläche. Da der Serumspiegel von LDL zum großen Teil von der Zahl der LDL-Rezeptoren abhängt, verursachen PCSK9-Antikörper eine drastische Reduktion des LDLs im Blut. Diese Antikörper greifen also an einem zentralen Punkt in den Cholesterinstoffwechsel ein und simulieren eine natürlich auftretende „loss-of-function“-Mutation des PCSK9-Gens.
PCSK9-Inhibitoren ... als Therapieoption für Hochrisikopatienten
Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie, Patienten mit Statin-Intoleranz oder kardiovaskuläre Hochrisikopatienten erreichen mit einer derzeitigen Standardtherapie häufig nicht die ihnen empfohlenen LDL-Zielwerte. Daher besteht bei diesen Patienten ein hoher Bedarf an alternativen Therapieoptionen. PCSK9-Antikörper können diesen Patienten helfen, ihre LDL-Zielwerte zu erreichen.
PCSK9-Inhibitoren ... wirken synergistisch mit einer Statin-Therapie
PCSK9-Inhibitoren wirken sich außerdem positiv auf die Effektivität von Statinen aus: Sie binden PCSK9, das durch die Anwendung von Statinen verstärkt gebildet wird und sorgen so dafür, dass mehr LDL-Rezeptoren auf den Hepatozyten zur Verfügung stehen. Dadurch kann mehr LDL aus dem Blut aufgenommen und der LDL-Spiegel stärker gesenkt werden.9
DIE ENTDECKUNG VON PCSK9
Erstmals beschrieben wurden PCSK9 und seine Funktion im LDL-Stoffwechsel im Jahr 2003 – seit 2015 gibt es Wirkstoffe, die PCSK9 als therapeutischen Ansatzpunkt für die Senkung erhöhter LDL-Werte nutzen.
Erhöhte PCSK9-Aktivität ist für hohe LDL-Spiegel verantwortlich⁴
Bei Betroffenen, die „gain-of-function“-Mutationen von PCSK9 aufwiesen, lagen eine erhöhte PCSK9-Aktivität, FH, hohe LDL-Spiegel sowie eine höhere Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. In ihrem Bericht aus dem Jahre 2003 wiesen Wissenschaftler zwei verschiedene „gain-of-function“-Mutationen von PCSK9 bei französischen Familien mit familiärer Hypercholesterinämie nach:⁴
- Eine Mutation wurde mit dem Auftreten von familiären Hypercholesterinämien in 2 Familien aus verschiedenen geografischen Regionen in Verbindung gebracht, wobei genetische Tests ergaben, dass die Familien wahrscheinlich einen gemeinsamen Vorfahren haben.
- Eine andere genetische Mutation wurde bei dem Mitglied einer dritten Familie gefunden, der im Alter von 49 Jahren an einem Myokardinfarkt gestorben war.
- Solche „gain-of-function“-Mutationen von PCSK9 sind vergleichsweise selten. Der Ansatz der PCSK9-Inhibitoren zur LDL-Senkung ist bei nahezu allen Menschen wirksam. Lediglich die sehr kleine Gruppe der Personen ohne jegliche LDL-Rezeptor-Expression (<1:1.000.000) spricht nicht auf eine Therapie mit PCSK9-Inhibitoren an.

Abbildung modifiziert nach Seidah NG et al.5
PCSK9 „loss-of-function“-Mutationen korrelieren mit sehr geringen LDL-Werten6
PCSK9-Träger mit einer natürlichen „loss-of-function“-Mutation haben ein niedrigeres LDL und ein geringeres Risiko für koronare Herzkrankheit.
- Über diese Mutationen wurde erstmals im Jahre 2005 berichtet, wobei zwei Varianten mit einer kombinierten Häufigkeit von etwa 2 % bei US-Amerikanern mit afrikanischen Wurzeln, aber nur sehr selten bei US-Amerikanern mit europäischen Wurzeln auftraten.
Menschen mit PCSK9 „loss-of-function“-Mutationen haben ein geringeres KHK-Risiko7
Den Zusammenhang zwischen „loss-of-function“-Mutationen und der Häufigkeit von koronaren Ereignissen (Myokardinfarkt, tödlich verlaufende KHK oder koronare Revaskularisierung) zeigt eine US-amerikanische Studie.⁶ Hier konnte bewiesen werden, dass alle Probanden niedrigere LDL-Spiegel und geringere KHK-Risiken aufwiesen als Menschen ohne Mutationen. Abhängig von der Art der Mutation waren die LDL-Spiegel bei Schwarzen im Mittel um 28 % geringer, das Risiko einer koronaren Herzkrankheit war um bis zu 88 % niedriger, während bei Weißen mit im Mittel 15 % geringeren LDL-Spiegeln, das kardiovaskuläre Risiko um 47 % reduziert war. Der Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Ereignissen und PCSK9-Mutationen bestätigte sich auch in drei dänischen Studien mit insgesamt 45.699 Probanden: Hier zeigten Probanden mit „loss-of-function“-Mutationen (1,3 % der Teilnehmer) eine Verringerung des LDL-Wertes um 13 % und eine Reduktion des Risikos einer ischämischen Herzkrankheit um 30 %.⁸
Dargestellt wird die Inzidenzrate Koronarer Herzkrankheit in einem Zeitraum von 15 Jahren unter afroamerikanischen (blau, n=3278) und kaukasischen (grau, n=9223) Personen ohne PCSK9-Mutation sowie afroamerikanischen (hellblau, n=85) und kaukasischen (hellgrau, n=301) Personen mit PCSK9 „loss-of-function“-Mutation. Abbildung modifiziert nach Cohen JC et al.⁷
Das Wichtigste in Kürze
- PCSK9 ist ein Protein zur Regulierung des LDL-Rezeptor-Recyclings.
- Die Abwesenheit von PCSK9 führt zu einer größeren Verfügbarkeit von LDL-Rezeptoren und dadurch zu geringen LDL-Werten.
- Die Hemmung von PCSK9 mit der Wirkstoffklasse der PCSK9-Inhibitoren mittels monoklonaler Antikörper ist eine vielversprechende und effektive Therapieoption.
- Die Entschlüsselung des Wirkmechanismus von PCSK9 wurde durch die Entdeckung sehr seltener PCSK9-Mutationen („gain-of-function“ / „loss-of-function“) ermöglicht.
- Menschen mit genetisch bedingt gesteigerter PCSK9-Aktivität aufgrund einer „gain-of-function“-Mutation leiden meist unter hohen LDL-Werten und einem hohen kardiovaskulären Risiko.⁴
- Menschen mit nicht-funktionalem PCSK9 aufgrund einer „loss-of-function“-Mutation haben meist sehr geringe LDL-Werte und ein geringes kardiovaskuläres Risiko.⁸
REFERENZEN |
1 McKinney JM et al. J Am Coll Cardiol 2012;59(25):2344-2353; 2 Roth EM et al. J Am Coll Cardiol 2012;59(13s1); 3 Raal F et al. J Am Heart Assoc 2012;2(2):e000028; 4 Abifadel M et al. Nat Genet 2003;34(2):154-156; 5 Seidah NG et al. Circ Res 2014;114(6):102; 6 Poirier S et al. Drug Des Devel Ther 2013;7:1135-1148; 7 Cohen JC et al. N Engl J Med 2006;354(12):1264-1272; 8 Benn M et al. J Am Coll Cardiol 2010;55(25):2833-2842; 9 Maxwell KN, et al. Circ Res 2012 Jul 20;111(3):274-7. |